Seit dem Schuljahr 1997/98 bis zum 31.1.2004 mussten alle Lehrerinnen und Lehrer zwischen 30 und 49 Jahren eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Grund dafür ist die „Untertunnelungstaktik“, die man Ende der 90er Jahre erfand. Man stellte fest, dass die Schülerzahlen langsam abnahmen und wahrscheinlich deshalb ab 2005 nicht mehr so viele Lehrer dafür nötig sein würden. Also wollte man aus finanziellen Gründen keine mehr einstellen, sondern bürdete dieser Altersgruppe eine „Vorgriffsstunde“ auf. Diese soll ab 2008 wieder zurückgegeben werden.
Wie in vielen Fällen verkalkulierte sich aber das Ministerium wieder. Es zeigte sich nämlich bald, dass die Zahl der Schüler nicht so schnell abnahm, die der Lehrer aber umso schneller. Pensionierungen, vorzeitige Ausstiege und eine übergroße Akzeptanz der Altersteilzeit sorgten für eine Ausdünnung des sowieso überalterten Lehrerbestands; dazu kam noch die schlechte Einstellungspolitik, die qualifizierten Nachwuchs abschreckte und in andere Berufe oder andere Bundesländer abwandern ließ.
Dem Mangel an Lehrern begegnete man durch zunehmende Einstellung von Seiteneinsteigern und Erhöhung der Pflichtstundenzahl. Ab 2005 änderte sich durch den Regierungswechsel die Situation. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition versprach eine Minderung des Unterrichtsausfalls durch zusätzliche Einstellung von Lehrern und schaffte es auch.Inzwischen werden die Vorgriffsstunden erstattet. Die Schulministerin Barbara Sommer und die Lehrerverbände hatten sich am 12. Juni 2007 auf ein Flexibilisierungsmodell geeinigt:
Flexibilisierung der Rückgabe der VorgriffsstundenGemeinsame Erklärung der Lehrerorganisationen NRW und der Die Verbände und Organisationen der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen und die Ministerin für Schule und Weiterbildung stimmen darin überein:
In der Überzeugung, dass die Flexibilisierung der Rückgabe der Vorgriffsstunden nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Rahmenbedingungen gemeinsam von allen Beteiligten getragen werden, haben die nordrhein-westfälischen Lehrerorganisationen und die Ministerin für Schule und Weiterbildung Einvernehmen über folgende Eckpunkte erzielt:
Düsseldorf, den 12. Juni 2007 (Unterschriften der Ministerin und der Verbandsvertreter) |
Wer sich nicht meldet, der bekommt die Stunden nach Vorschrift zurück. Diese Vorschrift ist im § 4 (2) der Verordnung zu § 93 SchG und lautet wie folgt:
„(2) Der zeitliche Ausgleich für die zwischen dem ersten Schulhalbjahr 1997/98 und dem ersten Schulhalbjahr 2003/04 geleisteten Vorgriffsstunden erfolgt durch Absenkung der Pflichtstundenzahl schrittweise ab dem Schuljahr 2008/09. Jeweils im elften Schuljahr nach dem Ende eines Schuljahres, in dem Lehrerinnen und Lehrer zur Leistung einer zusätzlichen Pflichtstunde auf der Grundlage des Absatzes 1 verpflichtet waren, ermäßigt sich ihre Pflichtstundenzahl nach § 2 Abs. 1 für einen der Dauer der Leistung entsprechenden Zeitraum um eine Stunde.“
Wer eine Rückgewährung abweichend von der Norm wünscht, musste bis zum 30.11.2007 eine entsprechende Erklärung abgeben.
Die Rückgabe ist dann erst ab 1.8.2010 möglich; man kann jedoch dann unter einer Vielzahl von Möglichkeiten wählen:
Beispiel 1: Jemand möchte im Schuljahr 2014 alle 6 Stunden auf einmal zurück.
Beispiel 2: Jemand möchte 2 Blöcke à 3 Stunden im Schuljahr 2015 und 2016.
Beispiel 3: Jemand entscheidet sich für je 2 Stunden in den Schuljahren, 2012, 2013 und 2014.
Beispiel 4: Jemand möchte eine Ermäßigung um 2 Stunden in 2011 und 4 Stunden in 2014.
Auch Kombinationen mit der Altersteilzeit oder dem Sabbatjahr sind möglich. Allerdings ist es nicht möglich, die Stunden für die Kompensation mit der Altersermäßigung zu verrechnen, damit man bereits mit 59 Jahren in die Altersteilzeit gehen kann.
Verfahren zur Rückgabe der Vorgriffsstunden
Für Lehrerinnen und Lehrer, die keinen Antrag auf Hinausschieben der Rückgewährung der Vorgriffsstunden stellen, verbleibt es bei der bisherigen Regelung des § 4 Abs. 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG (BASS 11-11 Nr. 1)* für die Rückerstattung. Lehrerinnen und Lehrer, die eine Flexibilisierung wünschen, mussten dies bis spätestens zum 30. November 2007 online beantragen.
Wichtig! Kolleginnen und Kollegen, die teilzeitbeschäftigt sind, müssen darauf achten, dass sie bei der Beantragung des Umfangs ihrer Teilzeitbeschäftigung die Rückgabe der Vorgriffsstunden berücksichtigen.
Fällt die Rückgabe der Vorgriffsstunden in ein Sabbatjahr oder in eine Beurlaubung, sollte man in jedem Fall einen Antrag auf Flexibilisierung stellen, damit man ggf. rechtzeitig einen Änderungsantrag stellen kann.
Lange Zeit wehrte sich das Land NRW, bei so genannten „Störfällen“ eine Ausgleichzahlung für geleistete Vorgriffsstunden zu leisten. Das änderte sich erst durch folgendes Gerichtsurteil:
Der Geld-Tipp:
Vorgriffsstunde von TeilzeitbeschäftigtenVor einigen Jahren konnten Teilzeitkräfte auf Anteile der Besoldung verzichten anstatt die Vorgriffsstunde zu leisten: Sie reduzierten z.B. ihre Wochenstundenzahl von 14/27 auf 14/28 Wochenstunden . Jetzt erhalten sie die Vorgriffsstunde ganz normal oder auch flexibilisiert zurück. Das lässt sich jedoch in beiden Fällen auch über das Gehalt regeln, indem sie für die Zeit der Vorgriffsstunde ihre Teilzeit erhöhen, z.B. von 14/28 auf 15/28. Sie unterrichten dann 14 Stunden. Der hierzu erforderliche Teilzeit-Antrag wird zum entsprechend vorgegebenen oder geplanten Rückgabetermin gestellt. |
Der Geld-Tipp:
Vorgriffsstunde von PensionärenVorzeitig in den Ruhestand versetzte Kolleginnen und Kollegen, die als 30- bis 50-jährige zwischen 1997 und 2004 Vorgriffsstunden geleistet haben, haben ebenfalls die Benachrichtigung zur Rückerstattung erhalten. Da sie in der Zwischenzeit vorzeitig aus dem Dienst geschieden sind, denken viele nicht mehr daran, ihre Vorgriffsstunden mit Hilfe der „Störfallregelung“ zurückzuholen. Das sollten Sie aber tun, denn bei zwei oder drei Jahren mit Vorgriffsstunden kommen locker 2000-3000€ zusammen. Die sollte man sich nicht entgehen lassen. |
Der Geld-Tipp:
Rückgabe der Vorgriffsstunde von TeilzeitbeschäftigtenNachdem sich auch das Land NRW an den Beschluss des Europäischen Gerichtshofs halten muss, hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung am 26.4.2012 einen neuen Erlass herausgegeben, der nunmehr vorschreibt, dass bei der Rückgabe der Vorgriffsstunde für Lehrerinnen und Lehrer, die in dem Zeitraum der Vorgriffsstundenregelung teilzeitbeschäftigt waren, eine Ausgleichzahlung erfolgt, die dem anteiligen Gehalt entspricht. In dem Erlass heißt es: Rückgabe der Vorgriffsstunde und finanzieller Ausgleich von Vorgriffsstunden nach der Ausgleichszahlungsverordnung Vorgriffsstunde; Änderung |
Finanzieller Ausgleich der geleisteten Vorgriffsstunden in Störfällen
Die Verordnung vom 8.6.2004 regelt die Gewährung einer Ausgleichszahlung in den Fällen, in denen der zeitliche Ausgleich für geleistete Vorgriffsstunden ganz oder teilweise unmöglich wird. Der finanzielle Ausgleich wird ebenso wie der zeitliche Ausgleich schrittweise ab dem Schuljahr 2008/09 jeweils im elften Schuljahr nach dem Endes eines Schuljahres fällig, in dem man zur Leistung der Vorgriffsstunde verpflichtet gewesen ist.
Eine Ausgleichszahlung an Stelle eines zeitlichen Ausgleichs wird gewährt bei
- Beendigung des Beamtenverhältnisses,
- beim Wechsel des Dienstherrn,
- bei Unmöglichkeit des Pflichtstundenausgleichs, z. B. bei vorzeitiger Zurruhesetzung,
- Tod des Berechtigten (Anspruch geht auf die Erben über).
Der Störfall tritt aber auch ein, wenn jemand nur vorübergehend nicht im aktiven Schuldienst ist ( z.B. Sabbatjahr, Auslandsschuldienst).
Die Höhe der Ausgleichszahlung bestimmt sich nach den Sätzen der Mehrarbeitsvergütung. Das bedeutet z.B. für A12 einen Betrag von 18,62 € pro Stunde. Dieser Satz muss mit den entsprechenden Schulwochen im betreffenden Jahr multipliziert werden (Beispiel: 39 Wo. x 18,62 € = 726,18 €). Der finanzielle Ausgleich kann auch schon vor der jeweiligen Fälligkeit erfolgen. Voraussetzung dafür ist ein Antrag der betroffenen Lehrerin oder des Lehrers. Die Ausgleichszahlung wird dann nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen auf Basis eines Zinssatzes von 5,5 v. H. geleistet.
Nur für die o. g. Fallgruppen ist ein solcher Antrag möglich, also insbesondere für diejenigen, die bereits in den Ruhestand bzw. zu einem anderen Dienstherrn versetzt worden sind.
Neu: Die Personalräte haben erreicht, dass nunmehr statt mit 39 Unterrichtswochen das gesamte Jahr mit 52 Wochen angerechnet wird. Begründet wurde das damit, dass die normale Vergütung bei Lehrerinnen und Lehrern auch die unterrichtsfreie Zeit mit einschließt.
Der VBE hat einen Musterantrag für den Ausgleich von abgeleisteten Vorgriffsstunden entworfen.
Allerdings ist es so, dass die Ausgleichszahlung erst mit dem Beginn des Schuljahres 2008/09 erfolgt, da das Land von diesem Termin ab auch erst den Vergütungsanspruch für alle Lehrerinnen und Lehrer anerkennt.
Der Eckdatenerlass für das Schuljahr 2010/11 weist in der beachtlichen Größenordnung von 2581 Stellen für alle Schulformen Ausgleichstellen für die ab 1997 (an Gesamtschulen ab 1998) erteilten Vorgriffsstunden aus. Dass diese Vorgriffsstunden tatsächlich zurückgegeben werden, ist ein Erfolg der Wachsamkeit und des Drucks der Kolleginnen und Kollegen, ihrer Personalräte, der GEW und der Verbände.